Es ist bereits fünf nach zwölf
Nutrias erobern nach und nach die Gewässer im Cuxland / Entlassung aus dem Jagdrecht gefordert
Der Nutria ist gekommen, um zu bleiben. Vor rund 100 Jahren aus Südamerika eingeschleppt, ist der Nager nun auch an der Oste heimisch geworden. Hier findet das fortpflanzungsfreudige Tier ideale Lebens- und Nahrungsbedingungen. Schon seit längerem schlagen die Deich- und Unterhaltungsverbände, nicht nur im Osteland, Alarm.
Denn was auf den ersten Blick wie ein possierliches Tierchen aussieht, sorgt mit seiner Lebensweise für schwere Schäden an Deichen und Uferböschungen. Nutrias leben in Familienverbänden, bauen im Sandkern des Deichkörpers bis zu acht Meter lange Wohnhöhlen. Wenn ein Fahrzeug zur Deichunterhaltung dort hineinfährt, bricht die Decke ein und es kann zu einem schweren Unfall kommen. „Jede Nutria-Höhle ist eine Sollbruchstelle für den Deich“, sagt Florian Streit, hauptamtlicher Jäger bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und zuständig für die Nutriabekämpfung.
Außerdem fressen Nutrias großflächig die Ufervegetation ab, vernichten so wertvolle Schutz- und Bruträume für Wasservögel, Fische und Amphibien. Auch vor Maisfeldern machen sie nicht halt, sagt der Jäger. „Wir haben viel zu lange zugeschaut. Die Uhr ist bereits fünf nach zwölf. Für diese invasive Tierart ist in unseren Breiten einfach kein Platz, zumal Nutrias keine natürlichen Fressfeinde haben.“ Derart ungestört hat sich die Nutriapopulation entlang der Flüsse und Bäche in Niedersachsen in den vergangenen Jahren vertausendfacht. An der Oste sind die Tiere vom Oberlauf kommend bereits bis Hemmoor vorgedrungen. „Ganz im Gegensatz zu den Niederlanden, die jährlich 35 Millionen Euro für die Nutriabekämpfung aufwenden und praktisch nutriafrei sind“, so Streit. Anstieg der Fangzahlen „Aus einem Nutriapärchen gehen theoretisch innerhalb von drei Jahren rund 16 000 Nachfahren hervor. Das entspricht einer Reproduktionszahl von 410 Prozent“, erläutert der Experte. Aus eigener Erfahrung weiß er, dass Nutrias pro Wurf bis zu zwölf Junge auf die Welt bringen, die nach gut drei Monaten geschlechtsreif sind und ihrerseits für Nachwuchs sorgen.
Auch die gemeldeten Fangzahlen belegen die starke Ausbreitung der Nutrias entlang der Oste. Waren es 2017 nur 16 gemeldete Fälle, sind es in diesem Jahr bislang 290. Kein Zuschuss vom Kreis Dabei ist es gar nicht so einfach, den Tieren nachzustellen. Nutrias unterliegen in Niedersachsen dem Jagdrecht. Die Jagd darf nur von den jeweiligen Revierinhabern durchgeführt werden. Hier müsse dringend eine Änderung her, fordert
Florian Streit. Denn anders ist es beim Bisam, wo von den Verbänden beauftragte Fänger für eine Verringerung der Population sorgen dürfen. Außerdem sei es schwer, einen Nutria zu schießen. „Die Tiere werden durch die Bejagung mit der Waffe scheu und verstecken sich. Die Fallenjagd ist daher die effektivste Methode. Dies funktioniert allerdings nur im Winterhalbjahr, wenn das Nahrungsangebot nicht so üppig ist“, sagt Florian Streit.
Darum haben die umliegenden Verbände insgesamt 50 Lebendfallen angeschafft, wovon sechs vom Ostedeichverband und vom Unterhaltungsverband Untere Oste mit Sitz in Hemmoor finanziert wurden.
Die Landkreise Rotenburg und Stade haben sich mit jeweils 20 000 Euro an der Anschaffung beteiligt, während es aus dem Cuxhavener Kreishaus keinen Zuschuss gab. Über die örtlichen Hegeringe werden die Fallen an
Jäger verteilt und entlang der Oste aufgestellt. Jede Falle ist mit einem elektronischen Meldesystem ausgerüstet, sodass bei einem Fang sofort eine Nachricht ans Handy geschickt wird. Der Jäger fährt dann raus, entnimmt den Nutria und tötet ihn.
Für diesen Aufwand bekommt er eine Entschädigung von sechs Euro pro Tier vom jeweiligen Verband.
Text: Thomas Schult